Die Autorin Jana Steingässer war mit ihrer Familie in vielen Ländern unterwegs und berichtet nun im neuen Buch „Hannahs Reise“ vom Klimawandel.
Jana Steingässer setzt sich seit Jahren für den Klimaschutz ein. Mit ihren vier Kindern Paula, Mio, Hannah und Frieda hat die Autorin viele Reisen unternommen. Sie waren dabei auf den Spuren des Klimawandels unterwegs. Im Jahr 2019 kam das Buch „Paulas Reise“ heraus, in dem die älteste Tochter die Hauptrolle spielte.
Am 14. Oktober erscheint das Buch „Hannahs Reise – Warum uns eine Kröte zum Wassersuchen in die Wüste schickte“ (Oetinger, 17 Euro).
Im Interview erzählt Hannahs Mutter, warum das Wasser so eine wichtige Rolle auf unserem Planeten spielt.
In Ihrem neuen Buch „Hannahs Reise“ geht es hauptsächlich um das Thema Wasser. Warum?
Wenn man sich mit dem Klimawandel und dem Klimaschutz befasst, kommt man um die Ressource Wasser nicht herum. Auf unseren Reisen in den letzten Jahren ist uns das Thema immer wieder begegnet.
Wollte Hannah nach „Paulas Reise“ auch ein Buch haben?
Für ein zweites Buch war Paula inzwischen zu groß. Ich habe dann Hannah, Mio und Frieda gefragt: „Wer hätte denn Lust?“ Es gab erst mal ein bisschen Gerangel, aber dann war klar, dass sich Hannah vom Alter her als Hauptfigur gut anbietet.
Sie sind mit den Kindern auf dem Fluss Tagliamento in Italien gepaddelt. Er hatte teilweise sehr wenig Wasser. Was ist Ihren Kindern dort klar geworden?
Die Flüsse in den Alpen sind sehr davon abhängig, was im Winter an Niederschlag herunterkommt, vor allem auch als Schnee, und wie sich Gletscher aufbauen und im Frühjahr wieder Wasser für die Flüsse freigeben. Aber die Gletscher sind extrem betroffen von den Auswirkungen des Klimawandels. Das hat Folgen für die Wasserversorgung im Tal. Außerdem nutzen wir Menschen an vielen Stellen das Wasser für die Landwirtschaft. Diese Verbindung herzustellen, war mir sehr wichtig. Gerade in diesem Sommer war der Po in Italien verschwunden und das ist ein wirklich großer Fluss.
Stellen Ihre Kinder Ihnen Fragen auf den Reisen, zum Beispiel auf dem Fluss Tagliamento?
Ja, wenn man mit dem Hintern auf Grund läuft und kein Fluss mehr da ist, kommt die Frage automatisch: „Warum ist kein Fluss mehr da? Wie kann das eigentlich sein?“ Es ist immer am beeindruckendsten, wenn man es bildlich sieht, wenn man es erlebt. An anderen Stellen haben wir uns auch mal angesehen, wie es ist, wenn Flüsse begradigt werden. Wir wohnen nicht weit vom Alt-Rhein entfernt, auch hier wurde viel begradigt und die Auswirkungen sind jetzt zu spüren. So verschwinden Schutzgebiete, die bei starken Regenfällen aber wichtig sind.
Große Unternehmen spielen eine Rolle beim Thema Wasserknappheit, zum Beispiel, weil sie Wasserquellen kaufen, um das Wasser abzufüllen? Welche Ungerechtigkeit macht Sie besonders wütend?
Wasser ist eine Ressource, die ein Menschenrecht ist. Es ist etwas Grundlegendes für Menschen und das Leben auf unserem Planeten. Ich finde es extrem ungerecht, dass es möglich ist, dass Wasser zu einer Ware gemacht wird, an der Einzelne verdienen und andere die Folgen tragen. So etwas dürfen wir nicht zulassen.
In Israel haben Sie am Fluss Jordan und am Toten Meer erlebt, wie es ist, wenn einem Fluss Wasser entnommen wird. Was hat die Kinder da bewegt?
Da kam ein sehr grundsätzliches Thema dazu, und zwar das Thema Gerechtigkeit. Wir sind dem Verlauf des Flusses Jordan von der Quelle gefolgt und man sieht in der Gegend an den Panzern und anderen Dingen, dass sie umkämpft ist. Und man sieht, dass Wasser ein knappes Gut ist. Auch wenn zwei Nachbarn nicht gut miteinander auskommen, müssen sie doch einen Weg finden, wie man diese knappe Ressource gemeinsam nutzen kann. Für die Kinder war es heftig, die Spuren der kriegerischen Auseinandersetzungen zu sehen. Und dabei geht es halt auch um Wasser.
Auf dem Weg nach Marokko haben Sie an der spanischen Grenze etwas Heftiges erlebt…
Ja, dort haben die Kinder intensiv das Thema Flucht erlebt. Wenn Flüchtlinge sich auf dem Weg machen, hat das oft auch mit dem Klimawandel und der Wasser- und Ressourcenknappheit zu tun. Ein Grenzsoldat hat erzählt, dass er gerade ein Kind unter einem Laster hervorgezogen hat. Meine Kinder konnten es gar nicht fassen, dass sich ein Kind in ihrem Alter unter einen Lkw klemmt, um alleine in ein fremdes Land zu reisen. Sie haben gefragt: „Was muss passiert sein, dass ein Kind so eine Reise antritt?“
Im Buch benutzen Sie den Begriff „virtuelles Wasser“. Was bedeutet das?
Wenn wir ein Produkt kaufen, machen wir uns nicht klar, wie viel Wasser verbraucht wurde, um es herzustellen. Und wo dieses Wasser entnommen wurde. Es ist ja meistens nicht so, dass unser Wasser dafür genutzt wurde. Auch hier geht es also wieder um Gerechtigkeitsfragen. Welche Spuren hinterlassen wir in anderen Ländern? Wenn dort Wasser verbraucht oder verschmutzt wird, haben nicht wir nicht die Folgen zu tragen, sondern die Menschen dort.
Was muss passieren?
Man muss sich fragen: „Was ist eigentlich der echte Preis eines Produktes?“ „Warum wird das in anderen Ländern hergestellt?“ Warum produzieren wir ein wasserintensives Produkt wie eine Jeans nicht in Deutschland? Zum Beispiel, weil man den Menschen woanders viel weniger Geld bezahlt. Und wir freuen uns dann, wenn wir eine Jeans für 20 Euro kaufen können. Eine Jeans kostet aber eigentlich viel mehr. Wir müssen die Ressourcen, die wir nutzen, mehr wertschätzen.
Man sollte also die Zusammenhänge besser verstehen?
Ja, das ist sehr wichtig. Wir stehen nicht alleine da. Wir hängen als Menschheit auf diesem Planeten, auf dem wir leben, alle miteinander zusammen. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass wir dafür sorgen, dass es uns gut geht und dass wir genug zu essen haben. Wir werden es zu spüren bekommen, wenn es den Menschen in anderen Ländern schlecht geht. Es betrifft uns immer auch.
In Barcelona haben Sie die Vereinigung Mar Viva besucht. Was macht die?
Das ist ein Zusammenschluss von Fischern in Barcelona, die mit bodennahen Schleppnetzen fischen. Alles, was im Meer am Boden liegt, holen sie genauso mit raus. Dass so viel Müll und Dreck aus dem Meer geholt wird, hat mich und die Kinder extrem schockiert. Früher wurde der Abfall einfach wieder ins Meer gekippt. Heute sortieren sie den Müll an Bord und sammeln das, was recycelt werden kann. Was schlimm ist: Es geht nicht nur um Kunststoff. Es landet auch viel Zellulose im Meer, weil wir den Müll nicht richtig entsorgen und zum Beispiel feuchtes Toilettenpapier oder Feuchttücher in die Toilette werfen. Kläranlagen filtern nicht immer alles raus, vor allem bei Überschwemmungen.
Es gibt ja viele Initiativen, die Flüsse, Strände und Meere von Müll befreien…
Ich finde das gut, aber wir müssen viel früher ansetzen. Wir dürfen Müll gar nicht erst in diesen Massen produzieren. Es muss eine Kreislaufwirtschaft geben. Wir benutzen zu Hause zum Beispiel gar keine PET-Flaschen mehr. Wir trinken Leitungswasser und jeder hat seine Flasche, die er sich auffüllt, wenn er aus dem Haus geht. Oder wir kaufen Pfandflaschen. Es soll ja bald auch öffentliche Trinkwasserstellen geben, das ist eine gute Sache.
Was machen Ihre Kinder für den Klimaschutz?
Hannah und Frieda lieben Klamotten und haben für sich Flohmärkte und Second-Hand-Läden entdeckt. Sie verstehen, dass es ökologisch besser ist, wenn nicht immer neue Kleidung gekauft wird. Aber sie freuen sich auch, wenn sie für zwei Euro eine tolle Jeans kaufen können. Es darf ja auch Spaß machen, wenn man der Umwelt was Gutes tut. Man sollte einfach viel gebraucht kaufen.
Und Ihr Sohn Mio?
Mio übernimmt gern Klamotten von seinen besten Freunden. Er hat wenig Ansprüche an Kleidung. Er hat zwei Hosen und zwei Pullis, mehr braucht er nicht.
Welche Rolle spielt klimabewusste Ernährung in Ihrer Familie?
Ich bin schon lange Vegetarierin. Paula hat das Vegane in unsere Familie reingebracht. Aber wir sind keine Veganer. Mio isst ab und zu Fleisch, die Mädchen nicht. Wir versuchen, uns lokal und saisonal zu ernähren. Ende des Winters beschweren sich die Kinder dann bestimmt wieder, dass wir monatelang nur Kohl und Linsen gegessen haben. Es ist aber schon so, dass alle es einsehen.
Am Ende des Buches rufen Sie Kinder auf, sich für die Umwelt einzusetzen. Aber die großen Entscheidungen müssen doch Politiker und Firmenchefs treffen, oder?
Ich finde beides wichtig. Kinder merken, dass sie an vielen Punkten etwas bewegen können. Aber der Druck, der auf Kindern und Jugendlichen lastet, ist ganz schön groß. Dieser Druck, die Welt retten zu müssen. Deswegen finde ich es wichtig, dass es Kindern Spaß macht, wenn sie sich für etwas einsetzen. Gleichzeitig ist natürlich klar, dass die großen Entscheidungen woanders getroffen werden müssen. Ich habe beim Klimastreik die Rede eines zwölfjährigen Jungen gehört. Er hat auf die großen Zusammenhänge aufmerksam gemacht - sehr beeindruckend. So werden die entsprechenden Personen, die etwas entscheiden, aufmerksam.
Was raten Sie Kindern, die sich sehr für den Klimaschutz einsetzen und deswegen unter Druck stehen?
Jede und jeder sollte seine eigenen Grenzen erkennen. Man sollte sich nicht schlecht fühlen, wenn man mal aus der Reihe tanzt und sagt: „Ok, ich esse jetzt mal Fleisch, obwohl ich im Grundsatz eigentlich drauf verzichten will.“ Oder: „Ich kaufe mir jetzt mal eine Hose, weil ich sie unbedingt haben will.“ Davon geht die Welt nicht unter.
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