Essen. In bestimmter Stimmung mag Larissa Rieß sogar Musik von Sean Paul. Als DJ Lari Luke ist die Heidelbergerin bald auf vielen Festivals präsent.
Sie wurde in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito geboren, wuchs in Portugal auf, lebt heute in Heidelberg und arbeitet vorrangig als DJ unter dem Künstlernamen Lari Luke: Larissa Rieß ist in ihren 35 Lebensjahren schon viel herumgekommen. Als Komikerin („LOL“, „Neo Magazin Royale“, „7 Tage 7 Köpfe“) und Radio-Moderatorin bei 1Live wurde sie parallel zu ihrer Musik-Karriere bekannt. Aktuell konzentriert sich Rieß aber auf ihre DJ-Tätigkeit – gerade auch wegen ihrer zweijährigen Tochter, wie sie Patrick Friedland verriet.
Was entfachte Ihre Leidenschaft für elektronische Tanzmusik?
Lari Luke: Es war bei mir nie so, dass ich nur einen bestimmten Musikstil hörte. Was aber auch ganz gut ist, weil ich in meinem jetzigen Sound auch viele Stile verbinde und mische. Früher war ich viel im Singer/Songwriter-Genre unterwegs, spielte mit meiner Gitarre in verranzten Bars und habe da gesungen. Das hat nur niemanden interessiert. Eines Tages dachte ich, es wäre besser, mit dem Auflegen zu beginnen (lacht).
Warum dann Elektro?
Ich bin irgendwann zufällig auf Bass-Music gestoßen, Dubstep, Future Bass, Drum’n’Bass. Ich habe viele Songs gehört, die einen ähnlichen Stil hatten und dann gemerkt, dass das ein eigenes Genre ist. Ich mag aber eben auch House und dachte mir dann, dass ich das ja verbinden könnte. Ich schaute mir verschiedene DJ-Sets aus verschiedenen Genres wie Techno, Hip-Hop und House an, wie dort gemixt wird und packte alles zusammen. Das ist jetzt der Lari-Luke-Sound.
Wer war Vorbild?
Verschieden. Pink als Teenager, später dann DJ Snake, Monika Kruse, Sven Väth oder Carl Cox. Es gab aber nie die eine oder den einen, wo ich dachte: Ich will wie er oder sie sein.
Wie schwer war es, als DJ Fuß zu fassen? Gerade als Radio-Moderatorin und Comedian in der sehr kommerzkritischen elektronischen Untergrund-Musikszene gab es doch sicher Vorurteile.
Die meisten dachten, dass mir die Radio-, Comedy- und Schauspieltätigkeiten für meine DJ-Karriere geholfen haben. Es war aber tatsächlich umgekehrt und ich hatte eh schon lange vorher Musik gemacht. Durch 1Live und das „Neo Magazin Royale“ wurde ich dann vor allem im Raum Köln bekannt und versuchte, irgendwo aufzulegen. Es hat aber erst nicht funktioniert. Die sagten alle „Die ist Kommerz, die hat doch keine Ahnung von Musik“.
Lari Luke über ihre Anfänge als DJ: „Pass auf, die können dich von der Bühne buhen“
Wie hat es letztlich funktioniert?
Es gab zum Glück einen DJ, der in Köln veranstaltet hat. Eine Mittwochsveranstaltung, „Beats X Bass X Cologne“, die gibt es auch immer noch. Da waren nur die Kenner der Bass-Music-Szene, die kannst du auch nicht verarschen. Die merken sofort, ob die DJs Ahnung haben oder nicht. Der Veranstalter meinte zu mir, „Pass auf, die können dich von der Bühne buhen“ und fragte, was ich so für Musik höre. Nach meiner Antwort merkte er dann, dass ich doch Ahnung habe und hat mich auflegen lassen.
Wie lief es?
Am Anfang waren die sehr skeptisch, weil mich ein paar auch erkannt haben. Ich habe erstmal nur Underground-Sachen gespielt, das wurde gut aufgenommen und dann durfte ich dort regelmäßig ran. Es kamen immer mehr Leute. Irgendwann wurde ich den großen Veranstaltern gar zu „undergroundig“. So nach dem Motto „Was spielt die denn da? Unser Samstagspublikum will Sachen hören, die in den Charts sind“. Irgendwann sagte ich mir „Wenn ihr mich nicht bucht, miete ich die Clubs eben selber.“ Ich habe dann eine Clubtour gespielt, alle Shows waren ausverkauft und dann merkten die Veranstalter „Ok, die verkauft ja doch Tickets, dann holen wir sie auf die Festivals“. Es war jahrelange Arbeit, die zu überzeugen, dass ich erstens kredibel bin und man mich zweitens auf Festivals stellen kann, ohne dass die Leute davonlaufen.
Welche Musik hören Sie heute privat?
Viele ruhige Singer/Songwriter-Sachen, aber eben auch Härteres. Ich brauche Abwechslung, könnte mir weder den ganzen Tag Singer/Songwriter-Pop noch den ganzen Tag Techno reinziehen. Das will ich auch in meinen Sets zeigen, eben auch überraschen. Viele DJs spielen nur das, was funktioniert. Das finde ich völlig in Ordnung, ich möchte mich aber von der Masse ein Stück weit abheben, Sachen spielen, die du vielleicht nicht erwartest, mal was von Radiohead reinmischen oder so. Diese Momente, wenn ein DJ einen Song spielt, den auf der Tanzfläche nur du selbst kennst, sind die tollsten. Zu mir kamen schon Fans, die sagten „Ey, du hast vor x Jahren mal ein Lied gespielt, das nur ich kannte, danke dafür“ – und die sind dann auch total loyal zu einem. Ich bin da bei anderen DJs genauso.
Was Musikkenntnis angeht, hilft sicher die Radio-Karriere.
Total. Deswegen bleibe ich auch bei 1Live, wenngleich nur noch als Resident-DJ für einzelne Sendungen und nicht mehr als Moderatorin. Es ist ein Sender, der viel Mainstreammusik spielt, aber auch immer mal wieder einen Song einstreut, wo ich denke „Hey, niemand legt mehr diesen Song auf, das könnte ich doch mal machen“.
Nehmen Sie noch Wünsche an bei DJ-Sets?
Nee. Meist geht das ja schon deswegen nicht mehr, weil die Bühnen so groß und weit weg vom Publikum sind. Aber grundsätzlich mache ich ja eine Performance mit Konzept und lege nicht einfach in die Nacht hinein auf. Wäre ich Resident-DJ in einem Club und würde sechsstündige Sets spielen, wäre es was anderes.
Was würde gar nicht gehen?
Ich kenne keine Geschmacksgrenzen. Manches entwickelt sich auch mit der Zeit. Früher fand ich Sean Paul schrecklich, heute gibt es so Momente, wo ich denke „Och, jetzt wäre ein Sean-Paul-Song gar nicht so schlecht“. Es kommt einfach auf die Stimmung an, jeder Scheißsong kann im richtigen Moment ein absoluter Hit sein.
„Meine Tochter würde ich noch nicht auf Festivals mitnehmen“
Anderes Thema: Kam es schon zu DJ-Gigs in Ihrer Kindheitsheimat Ecuador/Portugal?
Ich war nie mehr in Ecuador, seitdem ich mit zwei Jahren nach Portugal zog. Aber mal schauen, was die Zukunft bringt. Wir arbeiten daran.
Sie haben eine zwei Jahre alte Tochter. Wie läuft das während der Auftritte mit der Betreuung?
Meine Tochter würde ich jetzt noch nicht mit auf Festivals nehmen. Das sind keine Orte für kleine Kinder, allein wegen der hohen Lautstärke. In der Woche bin ich mit der Kleinen fünf Tage zuhause, am Wochenende übernimmt dann eben mein Mann, er macht das grandios. Ich kann das Auflegen tatsächlich besser mit der Familie und dem Kind verbinden als andere Jobs. Ich bin immer nur ein, zwei Tage pro Woche weg und das brauche ich auch. Wäre ich immer nur zuhause, fände ich es auch nicht gut. Aber nach jedem Gig, egal wie spät, sitze ich am nächsten Morgen wieder um 8 Uhr im Zug nach Hause.
Wie kriegen Sie die Jobs eigentlich alle unter einen Hut?
Ganz einfach: Ich habe andere Sachen zurückgefahren. Bei 1Live moderiere ich nicht mehr, im TV habe ich zuletzt auch nichts mehr gemacht, weil ich mich aktuell stärker auf Musik konzentrieren will. Mein Management sitzt in Frankfurt, nur 40 Minuten entfernt. Und die weitere Arbeit, wie das Produzieren, mache ich im Homeoffice, bis die Kleine von der Kita kommt.
Kürzlich haben Sie einen Plattenvertrag bei Warner Music unterschrieben. Was dürfen wir erwarten?
Erstmal mehrere Singles, ich bin fleißig dran. Ob es später ein Album geben wird, weiß ich noch nicht.
Anderes Thema: Auf vielen Musikfestivals finden sich nur sehr wenige Frauen in den Line-ups – auch oft dort, wo Sie spielen. Wie sehr nervt das?
Gar nicht. Das Geschlecht sollte keine Rollen spielen. Die Veranstalter müssen Tickets verkaufen. Es ist halt so, und das kann dir jede Studie bestätigen, dass es viele Jobs gibt, die eher von einem bestimmten Geschlecht gemacht werden. Dass Männer eher an technischeren Berufen interessiert sind und Frauen eher an Berufen, bei denen man mehr mit Menschen zu tun hat, so Sachen wie Krankenschwester und Erzieherin. Ich habe auch noch nie jemanden gehört, der sich beschwert, dass zu viele Männer auf dem Bau arbeiten.
Lässt sich das auf die Musik übertragen?
Es gibt deutlich mehr Männer, die DJs sind. Gesang übernehmen hingegen eher die Frauen. Ich weiß, dass Festivalveranstalter seit Jahren händeringend Frauen suchen, um eine Quote zu erfüllen. Es nervt wiederum, wenn viele sagen „Die Frauen brauchen Hilfe, damit sie Auftritte bekommen, reicht ihnen die Hand!“. Es war für meine DJ-Karriere eher ein Vorteil, dass ich eine Frau bin.
Fleischkäse immer mit Ketchup!
Haben Sie nie Ungerechtigkeiten erlebt?
Die gab es natürlich, das lag aber nie an meinem Geschlecht. Eher Dinge wie, dass andere den besseren Zeitslot bekommen. Aber wenn du momentan eine Frau bist, hast du ganz gute Karten, weil es eben so gewollt ist, ihnen Slots zu geben. Im schlimmsten Fall holst du dir als Veranstalter dann welche, die vielleicht nicht so gut auflegen, um die Quote vollzubekommen und dann sagen Leute hinterher „Ah, die Frauen können nicht auflegen“. Das macht doch keinen Sinn. Ich möchte, wenn ich auf der Parookaville-Mainstage auflege, nicht, dass die Leute denken „Die steht da nur, weil sie eine Frau ist“. Ich habe mir das erkämpft und das sollen die auch wissen. Die Hauptsache ist doch: Da soll ein DJ stehen, der gut ist und Leute entertaint.
Letzte Frage: Was hat es mit dem Fleischkäse-Freitag auf sich?
(lacht) Das fing an, weil ich in jeder Freitags-Mittagspause vor meiner „1Live Go“-Sendung mit Philipp Isterewicz beim Imbiss gegenüber war und wir uns ein Fleischkäsebrötchen holten. Die sind halt lecker. Dann zeigte ich in meinen Social-Media-Storys immer wieder, dass „heute Fleischkäse-Freitag“ ist und das verselbstständigte sich. Kollegen und Fans posteten auch ständig Fleischkäse-Bilder. Ich mache das heute manchmal immer noch kommentarlos.
Aber immer mit Ketchup und nie mit Senf.
Ja, ich bin ein Ketchup-Mensch. Dafür wurde ich auch schon öfters sehr kritisiert. Aber ich mag eben keinen Senf.
>>> INFO: Lari Luke live
Hier legt Larissa Rieß als Lari Luke in den kommenden Monaten auf: 22.7. Parookaville (Flughafen Weeze, nur noch Wochenendtickets für 229 € verfügbar), 29.7. Juicy Beats (Westfalenpark Dortmund, Tagesticket ca. 74 €), 18.8. San Hejmo (Flughafen Weeze, Tagesticket ca. 139 €), 7.10. Blacklist (Turbinenhalle Oberhausen, ca. 76 €).
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