Kommentar

100 Tage Ukraine-Krieg - aus Fassungslosigkeit wird Routine

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Foto: Jan Jessen / funkegrafik nrw

Die Nachrichten und Bilder haben die erschütternde Wucht der Anfangstage verloren. Das ist gefährlich. Ein politisches Dilemma bleibt.

An diesem Freitag beginnt in der Ukraine der 100. Kriegstag. Die Fassungslosigkeit nach dem Kriegsausbruch am 24. Februar hat außerhalb der Ukraine einer gewissen Routine Platz gemacht. Die Nachrichten von der Front, wo die russische Armee langsame Fortschritte erzielt, dabei aber Städte wie Sjewjerodonezk in eine Trümmerlandschaft verwandelt, werden registriert.

Die anfängliche Erschütterung lösen diese Bilder und Nachrichten bei vielen Menschen nicht mehr aus. Es ist ein Selbstschutz, eine normale menschliche Reaktion.

Das ist die Gefahr bei diesem, so wie bei allen Konflikten, die sich in die Länge ziehen: Das Interesse an ihnen schwindet und mit ihnen der Druck, sie zu lösen. Mittlerweile sind in der Ukraine 14 Millionen Menschen aus ihren Heimatstädten und -dörfern geflohen. Das ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung. Sieben Millionen von ihnen haben sich ins Ausland gerettet. Tausende Menschen sind gestorben.

Zwanzig Prozent der Ukraine sind umkämpft oder unter russischer Kontrolle. Weltweit sind die Folgen des Kriegs zu spüren. Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen, in manchen Ländern drohen Hungersnöte, weil der ukrainische Weizen nicht ausgeliefert werden kann, und damit politische Verwerfungen bis hin zu Revolten in ohnehin fragilen Staaten.

Im Kriegsgebiet hat die russische Generalität aus den anfänglichen Fehlern gelernt und geht jetzt kleinteiliger und methodischer vor. Sie hat auf einen Abnutzungskrieg eingeschwenkt, den die Ukraine nur gewinnen kann, wenn sie von außerhalb mit Waffen unterstützt wird.

Auch 100 Tage nach Kriegsausbruch bleibt das politische Dilemma: Ohne die Lieferung schwerer Waffen wird Putin obsiegen und für seine Aggression belohnt. Durch die Lieferung schwerer Waffen wird der Krieg in die Länge gezogen. Es ist eine Situation, in der sich politisch Verantwortliche nur schuldig machen können.

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