Der US-Präsident besucht einen Mann, den er noch vor Kurzem als Schurken bezeichnete und zeigt, dass wertebasierte Außenpolitik nichts bedeutet.
Saudi-Arabien ist ein Land, in dem es keine Demokratie gibt und in dem Menschenrechte wenig zählen. Es führt seit sieben Jahren einen so blutigen wie völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen. US-Geheimdienste machen den Thronfolger und De-facto-Herrscher Mohammad Bin Salman für die Ermordung des Journalisten und Regimekritikers Jamal Khashoggi verantwortlich, der im Herbst 2018 von einem Killerkommando im saudischen Konsulat in Istanbul getötet und zersägt worden war.
Im US-Wahlkampf hatte der heutige US-Präsident Joe Biden erklärt, er wolle Saudi-Arabien wegen dieses Mordes zu einem Paria der Weltgemeinschaft machen. Er bezeichnete Bin Salman als Schurken. Wie schnell sich die Zeiten ändern.
Am Wochenende besuchte der US-Präsident diesen Schurken und begrüßte ihn lächelnd mit einem Faustgruß. Das Foto dieser Begrüßung ist ikonisch. Es ist ein Bild, das erklärt, warum es der Westen schwer hat, mit seiner angeblich wertebasierten Außenpolitik ernst genommen zu werden und warum es ihm nicht gelingt, jenseits seiner Kernsphäre belastbare Allianzen gegen autokratische Systeme und Kriegsverbrecher wie Wladimir Putin zu schmieden.
Der Besuch Bidens in Riad zeigt auch, wie absurd das westliche Sanktionsregime gegen Russland ist. Seit dem Beginn der Ukraine-Krise sind die Gewinne des saudischen Ölkonzerns Aramco in astronomische Höhen geklettert. Im März stoppten die USA russische Öl-Importe. Deswegen müssen die USA mehr Öl aus Saudi-Arabien importieren. Die Saudis wiederum haben ihre Öl-Importe aus Russland im zweiten Quartal verdoppelt, um den heimischen Bedarf zu decken. Das russische Öl können sie zu Dumping-Preisen von Putin kaufen. Dank der Erhöhung der Öl-Importe aus Russland kann Riad nun mehr eigenes Öl zu höheren Preisen an den Westen verkaufen. Realpolitik ist manchmal grotesk.
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