Extremismus

Razzien gegen rechten Terror: Der Feind steht rechts!

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NRZ-Redakteur Jan Jessen kommentiert.

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Foto: Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services

Wenn Hass und Hetze salonfähig werden, dann ist die Gefahr groß, dass sich Menschen finden, die den Worten Taten folgen lassen wollen.

Sie wollten den Bundestag stürmen, Politiker verhaften, Blackouts verursachen, und danach die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch ein reaktionäres System ersetzen. Was bislang über die Pläne der am Mittwoch aufgeflogenen rechten Terror-Bande bekannt ist, klingt absurd. Die Vorstellung, altgediente Militärs, Ärzte oder Richter könnten sich in solche wahnwitzigen Umsturzpläne hineinfantasiert haben, mutet grotesk an. Für die Sicherheitsbehörden scheint aber klar zu sein: Diese Leute haben es ernst gemeint.

In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl rechter Terror-Truppen aufgeflogen. Oldschool Society (OSS), Revolution Chemnitz, Gruppe S., Gruppe Freital, allen vorweg der mörderische NSU. In Krisenzeiten formiert sich immer gesellschaftlicher Widerstand, der Wut gebiert, häufig auch zu Wahnsinn wächst. Wenn Hass und Hetze salonfähig und in Parlamenten in den politischen Diskurs gekübelt werden, dann ist die Gefahr groß, dass sich Menschen finden, die den Worten Taten folgen lassen wollen.

Die jetzt aufgeflogene Terror-Bande ist aber nach aktuellem Erkenntnisstand anders als die rechten Terror-Gruppen, die in den vergangenen Jahren zerschlagen werden konnten. Zum einen, weil die Gruppe enorm groß zu sein scheint. Über so viele Mitglieder hat noch keine andere Terror-Bande der vergangenen zwei Jahrzehnte verfügt. Zum anderen haben in der Truppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß keine gesellschaftlich Abhängten den Umsturz geplant, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.

Razzien zeigen: der Rechtsstaat ist wehrhaft

Besorgniserregend ist, dass einmal mehr aktive Soldaten und Militärs im Ruhestand zu dem Kreis der Terror-Verdächtigen gehören. Menschen mit den Fähigkeiten von Eliteeinheiten und möglicherweise mit Zugängen zu Waffen sind brandgefährlich.

Manche der Mitglieder der Terror-Bande haben sich offensichtlich im Dunstkreis der Corona-Leugner bewegt. Das ist nicht überraschend. In der Szene wird Deutschland als Diktatur wahrgenommen, die es zu stürzen gilt, Experten warnen schon seit langem vor Radikalisierungstendenzen.

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung aber ist auf einem stabileren Fundament gebaut, als es die Fanatiker glauben. Der Rechtsstaat ist wehrhaft und kann seine Feinde bekämpfen, das haben die Razzien am Mittwoch bewiesen. Die Opfer des NSU, die Toten von Hanau und Halle, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke mahnen jedoch zu weiterer Wachsamkeit.

Vor hundert Jahren hat der damalige Reichskanzler Joseph Wirth nach dem Mord an Rathenau im Reichstag gesagt: „Der Feind steht rechts.“ Das galt damals. Das gilt heute.

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