Krönung von Charles III.: Vorwärts in die Vergangenheit
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Oliver Stöwing
Charles III. und Camilla treffen zur Krönungszeremonie ein
Charles III. und Camilla treffen zur Krönungszeremonie ein
Der britische König Charles III. und Königin Camilla sind zur Krönung in der Westminster Abbey in London eingetroffen. In einer prachtvollen Kutsche fuhr das Königspaar zu der Kirche.
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London.Formelhafter Mittelalter-Zauber: Im Gegensatz zur Queen-Beerdigung ließ die Krönung von König Charles und Camilla erstaunlich kalt.
Die Beisetzungen von Prinz Philip und später dann von der Queen – sie waren das prunkvolle Aufbäumen einer verlorenen Zeit. Anachronistisch, aber auch überwältigend: Es war faszinierend zu sehen, mit welcher Präzision der Trauer eine Fassung gegeben wurde. Warum nur ließ die Krönung von Charles III. so viele kalt?
Schon im Vorfeld: nix los. Ja, es campierten Royal-Fans auf der Prachtmeile The Mall, die Union-Jack-Fahnen griffbereit, um einen Blick auf König Charles und Queen Camilla zu erhaschen. Sie wirkten, als habe die Tourismusbehörde sie dort hingesetzt. Unser London-Korrespondent verfolgte die Zeremonie aus einem Pub: „Eher leer hier“, gab er durch.
Die endlosen Lobgesänge und Gebete, die Salbungen und Ehrerbietungen ermüdeten mit ihrer Formelhaftigkeit – dankenswerterweise hatte Charles die Zeremonie kürzen lassen. Charles und Camilla machten eine vertrauten, aber auch müden Eindruck. Die Beisetzungen von Charles’ Eltern waren ergreifende Rückschauen auf außergewöhnliche Leben gewesen. Eine Krönung jedoch verweist in die Zukunft, sie steht für einen neuen Abschnitt, für Erneuerung. Charles ist 74, Camilla 75. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber es ist ein Alter, in dem man zweifelsfrei mehr Vergangenheit als Zukunft hat.
Und was wissen wir nicht alles über die beiden, von ihrer lange heimlichen Liebe, von ihren Intrigen, Nöten, Begierden und liebestollen Telefonturteleien und Familienkrächen. Sie sind allzu menschlich geworden, während das welke Brimborium in der Westminster Abbey versuchte, sie in die Nähe eines Gottes zu erheben.
Kein Reich war größer, mächtiger und einflussreicher als das Empire. Keines hat die Welt mehr gestaltet. Die Welt spricht Englisch. Es ist die Sprache, die mit Modernität gleichgesetzt wird. Modern wirkte die Krönung nicht. Eher wie ein Mittelalterzauber. Das Reich bröckelt weiter. Kanada, Australien, Jamaika, sie alle werden wohl früher oder später abspringen, vielleicht sogar Schottland. Charles kann nichts dagegen tun. Auf einem Thron zu sitzen macht einen nicht zu einem Herrscher. Es zeigt nur, dass man einen Hintern hat.