Scharm el-Scheich. Bei der Klimakonferenz tritt Außenministerin Baerbock als Klimaschützerin auf. Nun droht sie sogar, das Treffen scheitern zu lassen.
Die Klimakonferenz in Scharm el-Scheich ist eingebogen auf die Zielgerade, als Annalena Baerbock klar macht, dass sie bereit ist, das Treffen scheitern zu lassen. "Schlimmer als kein Ergebnis", sagt sie, "wäre ein Ergebnis, den Konsens von Glasgow und von Paris aufzuweichen, zu verwässern oder gar zurückzudrehen. Darauf können wir uns als Europäische Union nicht einlassen."
- Interaktive Karte: So wird der Klimawandel das Leben in Ihrer Region ändern
- Google Earth: Diese Funktion zeigt die Klimakrise im Zeitraffer
- Klimaschutz:Habecks neuer Plan für eine „grüne“ Industrie
- Ernährung:Wie durch Fleischverzicht die Klimaziele erreicht werden könnten
- Klimawandel im Meer:Katastrophale Zustände in der Tiefe sorgen für Massensterben
Am Freitagmittag, als die deutsche Chefverhandlerin mit fester Stimme diese Linie zieht, ist die Möglichkeit, dass sich die Staaten in Ägypten nicht auf eine Übereinkunft einigen können, real. Zahlreiche Punkte sind noch immer offen, die Zahl der Stellen, an denen die Verhandlungstexte "Optionen" aufweisen, ist hoch. Kein einfacher Start für Baerbocks erste Klimakonferenz als Außenministerin.
Baerbock machte Klimapolitik zu ihrer Zuständigkeit
Dass sie hier ist und nicht Umweltministerin Steffi Lemke, ist einem größeren Umbau innerhalb der Bundesregierung geschuldet: Als bei der Regierungsbildung im vergangenen Jahr die Zuständigkeiten neu ausgehandelt wurden, holte Baerbock die internationale Klimapolitik ins Auswärtige Amt. Lesen Sie auch: Klima-Proteste – Grünen-Chefin Lang warnt vor RAF-Vergleichen
Die Fachleute des Umweltministeriums zogen um – mit Baerbock an den Werderschen Markt, ins ebenfalls zum Klimaministerium umgestrickten Wirtschaftsministerium, ins Entwicklungsministerium, ein paar blieben im Umweltministerium. Als vierblättriges Kleeblatt aus Ministerien tritt Deutschland jetzt in Ägypten auf. Doch dass eines der Blätter größer ist als die anderen, ist nach Baerbocks Ankunft am Donnerstag kaum zu übersehen.
Als Abgeordnete hatte Baerbock zahlreiche Klimakonferenzen verfolgt, sie kennt die technischen UN-Begrifflichkeiten, die Eigendynamik der Konferenzen, die Einigung eigentlich nur auf den letzten Metern zulassen. Dass sie beim Triumph von Paris gemeinsam mit ihrer damals sechs Monate alten Tochter vor Ort waren, hat sie oft erzählt. Auch interessant: Klimaschutz – Fünf Gründe, warum der Protest so schwach ist
Klimakonferenz in Ägypten: Baerbock ist jetzt Teil der Regierung
Doch in diesem Jahr vertritt sie die Bundesregierung und – als von der EU eingesetzte Verhandlerin für die Gespräche um ein Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung – den ganzen europäischen Staatenblock. Und das in einer Situation, in der Beobachter zum Ende der zweiten Konferenzwoche mit Sorge auf den langsamen Fortschritt der Gespräche schauen.
Wie Baerbock versucht, in dieser Situation Knoten zu lösen, lässt sich öffentlich gut verfolgen. Ihre Auftritte sind begleitet von einem Pulk von Journalistinnen und Journalisten. Auf Instagram dokumentiert das Social Media-Team des Auswärtigen Amts mit wenig Zeitverzug die Aktivitäten der Ministerin: Baerbock, wie sie sich über Textvorlagen beugt, Baerbock beim Treffen mit der pakistanischen Klimaministerin Sherry Rehman, Baerbock mit dem chinesischen Klimagesandten Xie Zhenhua und dem stellvertretenden Umweltminister Zhao Yingmin.
Klimaschutz und Außenpolitik: Wird Baerbock zur Klimaaußenministerin?
Während es in Berlin der Klimaschutz war, den Baerbock neu in ihr Haus holte, ist es bei der Klimakonferenz die Außenpolitik, die die Grünen-Politikerin verstärkt mitbringt. Immer wieder bezieht sie sich auf ihre Reisen im letzten Jahr, etwa nach Niger oder Palau. Und sie sagt klar: Es gehe nicht nur um CO2-Reduzierung, sondern auch "um Geopolitik". Lesen Sie auch: Wie Elon Musk und andere Superreiche die Klimakrise anheizen
Nirgends wird das deutlicher als in der Auseinandersetzung mit China. Denn von der Volksrepublik, so Baerbocks Lesart, hängt in Scharm el-Scheich zu großen Teilen ab, ob das Treffen ein Erfolg wird oder nicht. China hat sich hinter die Forderung vieler Entwicklungs- und Schwellenländer gestellt, noch auf dieser Konferenz eine sogenannte Finanzfazilität zu schaffen, aus der Schäden und Verluste durch Extremwetter bezahlt werden sollen.
Das können sich auch Deutschland und die EU inzwischen vorstellen, doch sie haben Grenzen eingezogen: Wenn ein Fonds kommen sollte, dann nur unter der Bedingung, dass klar definiert wird, dass das Geld an diejenigen fließt, die am verwundbarsten sind für Verheerungen durch klimabedingte Wetterextreme. Gleichzeitig pocht die EU darauf, dass die Gruppe der Länder ausgeweitet wird, die in einen solchen Topf einzahlen würden – und nicht mehr wie bisher nur die Industriestaaten, sondern auch andere große Emittenten umfasst. China steht da ganz oben auf der Liste. Auch interessant: Darum reist Greta Thunberg nicht zur Klimakonferenz
Klimakonferenz in Ägypten: Deutschland im Pokerspiel mit China
Europa stehe auf der Seite der verletzlichsten Staaten, sagte Baerbock nachdem der Vize-Präsident der EU-Kommission den neuen Vorschlag präsentiert hatte. "Andere können jetzt zeigen, wo sie stehen." Beim Namen nannte sie China nicht, doch Interpretationsspielraum, wer gemeint sein könnte, gab es kaum.
Es ist ein Pokerspiel mit einem Gegenspieler, der die Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder beschäftigt hat. Dabei ist es nicht nur China, das kein Interesse hat, am Ende für die Auswirkungen von Treibhausgasen zu bezahlen. Auch die USA, als historisch größter Emittent, fürchten ein Fass ohne Boden und gelten bei diesem Thema als Blockierer. Lesen Sie auch: Klimakonferenz in Ägypten – Ist das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar?
Auch sie müssten jetzt angesprochen werden, so Beobachter. "Deutschland ist sehr verständnisvoll gegenüber anderen Ländern", sagt Saleemul Huq, Direktor des Internationalen Zentrums für Klimawandel und Entwicklung in London. Jetzt müsse es die anderen Industriestaaten mitziehen. Die Details, wer in einen Fonds einzahlen und wer Geld bekommen soll, könne man später klären, sagt er, wichtig sei jetzt die Grundsatzentscheidung. "Wir brauen eine politische Entscheidung in den nächsten 48 Stunden." Sein Vertrauen setzt er vor allem in eine Vertreterin der deutschen Delegation – nicht Baerbock, sondern ihre Klimasonderbeauftragte Jennifer Morgan.
Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Politik