Nuklearwaffen in Belarus

Biden hält Putins Atomwaffen-Drohung für "gefährlich"

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Russland setzt Beteiligung an Atomwaffen-Kontrollvertrag aus

Russland setzt Beteiligung an Atomwaffen-Kontrollvertrag aus

Russland setzt seine Beteiligung an dem Atomwaffen-Kontrollvertrag New Start aus. Das kündigte Kreml-Chef Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation in Moskau an.

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Berlin/Moskau.  Russland stationiert taktische Nuklearwaffen im Nachbarstaat Belarus. Was bedeutet diese neue Eskalationsstufe im Ukraine-Krieg?

  • Russland will taktische Nuklearwaffen im Nachbarland Belarus stationieren
  • US-Präsident Biden nennt die Pläne "gefährlich"
  • Lesen Sie hier, wie westliche Experten die Kreml-Drohung einschätzen

Wladimir Putin macht das, was er immer wieder tut: Er droht mit seinen Atomwaffen. Im russischen Fernsehen kündigt er die Stationierung taktischer nuklearer Raketen im Nachbarstaat Belarus an, das längst Teil von Putins strategischer Einflusssphäre ist. Das Brisante: Belarus grenzt an die Ukraine - es grenzt aber auch an die Nato-Staaten Polen und Litauen. Was bedeutet diese neue Eskalationsstufe im Krieg Russlands gegen die Ukraine? Alle wichtigen Fragen und Antworten.

Was hat Präsident Putin genau angekündigt?

In Belarus sollen mit taktischen Atomsprengköpfen bestückbare Iskander-Raketen stationiert werden. Das Training beginnt in Belarus am 3. April. Die Bunkerdepots für die mit atomaren Sprengköpfen bestückbaren Iskander-Raketen sollen am 1. Juli fertiggebaut sein. So verkündete es Putin nun, wie so oft, im Staatsfernsehen. Alle sollen es mitkriegen und verbreiten.

Schon seit Beginn des Krieges dient Belarus den russischen Truppen als Aufmarschgebiet. Tatsächlich hat das Regime in Belarus um Diktator Lukaschenko schon unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 in einem staatlich manipulierten Referendum politisch den Weg für die Stationierung russischer Atomraketen frei gemacht. Putins jetziger Schritt war erwartet worden. Allerdings ist die Zustimmung zu Putins „Spezialoperation“ in der belarussischen Bevölkerung nicht allzu hoch. Und im Land wächst der Widerstand gegen Belarus als Aufmarschgebiet russischer Truppen.

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Nuklear bestückte Iskander-Raketen sind sogenannte taktische Atomwaffen. Also Waffen mit kürzerer Reichweite und weniger Sprengkraft als strategische Atomwaffen, die mit Interkontinentalraketen eine Reichweite von knapp 6000 Kilometern erreichen. Iskander-Raketen zählen zu den modernsten russischen Kurzstreckenraketen und können innerhalb von 40 Sekunden abgeschossen werden. Ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei rund siebenfacher Schallgeschwindigkeit. Die Reichweite dieser Raketen wird mit mehreren Hundert Kilometern angegeben. Damit könnten sie theoretisch die baltischen Hauptstädte und auch Warschau erreichen. Berlin wäre zu weit entfernt.

Wie ernst ist die Bedrohung für den Westen?

Es ist zunächst vor allem eine Machtdemonstration Russlands – und weniger eine direkte Angriffsdrohung an den Westen und die Nato. Dass Russland diese Waffen auch einsetzt, ist unwahrscheinlich. Einen möglichen Ersteinsatz von Atomwaffen hat Putin bislang stets dementiert. „Die Ankündigung der Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus ist irrelevant für das Risiko einer Eskalation zu einem Atomkrieg, das nach wie vor äußerst gering ist“, schreibt das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in einer Analyse. Anders als die Drohgebärden vermuten lassen, sei Putin ein „risikoscheuer Akteur“, so die Fachleute. Ohnehin gilt: Schon jetzt könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen reagiert ebenfalls gelassen. Die Stationierung der Atomraketen in Belarus stelle „keine zusätzliche Bedrohung für Europa dar, sondern ist ein weiterer Versuch der Einschüchterung, die nicht zuletzt auf die deutsche Bevölkerung gerichtet ist“. Die auch Deutschland bedrohenden Atomwaffen habe Putin bereits seit längerem in Kaliningrad stationiert.

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Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte unserer Redaktion: „Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml.“ Es gebe allerdings weiterhin keine Hinweise darauf, dass Russland seine Atomwaffen tatsächlich einzusetzen plane. „Das Ziel der Drohungen ist, die westliche Unterstützung der Ukraine zu untergraben“, so Hofreiter. „Unsere Aufgabe ist es, weitere Sanktionen auf europäischer Ebene zu erlassen und die Ukraine weiter zu unterstützen.“ Russland-Experte Nico Lange kommt zu dem Schluss, dass die Ankündigung der Stationierung vor allem zeige, wie Putin „parallel zu seinem Angriff auf die Ukraine die Einverleibung von Belarus forciert“.

Weniger gelassen reagiert die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Der Plan von Putin sei eine „extrem gefährliche Eskalation“, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation, die 2017 den Friedensnobelpreis erhielt. Politische Fehleinschätzungen oder militärische Manöver könnten schnell zu schwer kalkulierbaren Risiken führen.

Und auch der US-Präsident Joe Biden gab sich alles andere als gelassen. Er nannte die angekündigte Stationierung der Waffen in Belarus "besorgniserregend" und "gefährlich". Allerdings sind nach Auskunft der USA noch keine Atomwaffen in das Land verlegt worden. "Sie haben es noch nicht getan", sagte Biden wenige Tage nach der russischen Ankündigung in Washington.

Bedeutet die Ankündigung, dass Putin mit dem Rücken zur Wand steht?

Ganz im Gegenteil. Nach dem Staatsbesuch von Xi Jinping vergangene Woche in Moskau handelt Putin aus einer Position der Stärke heraus. Gas und Öl will man nach China exportieren, von dort sollen verstärkt Konsumgüter nach Russland kommen. Damit würden die Sanktionen des Westens möglicherweise verpuffen. Auch „militärisch-technisch“ will Russland mit China zusammenarbeiten. Über offizielle Waffenlieferungen ist nichts bekannt. Russland will zudem seine Rüstungsproduktion hochfahren. „Die Gesamtzahl der Panzer der russischen Armee wird die der ukrainischen um das Dreifache übertreffen, sogar um mehr als das Dreifache“, kündigte Putin an. Sein Land wolle 1600 neue Panzer bauen und modernisieren.

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Zugleich gilt: Russlands Armee verzeichnet keine deutlichen Geländegewinne in der Ukraine. Der Krieg ist in einem Stellungskrieg eingefroren, die angekündigte russische Frühjahrsoffensive blieb ohne entscheidenden Sieg. Zugleich ist der Schaden in der Ukraine wie auch im russischen Militär enorm. Manche Experten sehen die Drohung mit Atomwaffen in Richtung Westen somit auch als Versuch, von den Verlusten in der Ukraine abzulenken.

Sind die Urangranaten, die etwa Großbritannien an die Ukraine liefern will, nicht auch Atomwaffen?

Nein, der Kern dieser Granaten besteht aus abgereichertem Uran, das zu wenig Radioaktivität für eine Nuklearexplosion enthält. Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Kernbrennstäben. Uran ist ein sehr schweres Metall, die Geschosse mit abgereichertem Uran haben deshalb eine besondere Durchschlagskraft, etwa um Panzer zu zerstören. Die britische Armee verwendet nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten abgereichertes Uran in ihren panzerbrechenden Geschossen. Das Verteidigungsministerium in London warf Putin Falschinformation vor, nachdem dieser von einer „nuklearen Komponente“ gesprochen und eine Gegenreaktion angekündigt hatte. Putin wisse, dass dies nichts mit nuklearen Waffen oder Fähigkeiten zu tun habe, hieß es.

Name Wladimir Wladimirowitsch Putin
Geburtsdatum 7. Oktober 1952
Geburtsort Sankt Petersburg
Sternzeichen Waage
Amt Präsident der Russischen Föderation
Im Amt seit 2000 (Unterbrechung von 2008 bis 2012)
Familienstand Geschieden, mindestens zwei Kinder
Größe ca. 1,70 Meter

In den beiden Irak-Kriegen 1991 und 2003 verschossen US-amerikanische und britische Truppen rund 400.000 Kilogramm Uranmunition. Mit gravierenden Folgen: Heute beträgt etwa im irakischen Basra die Strahlenbelastung das 20fache des Normalwertes, so Experten. Die Zahl der Krebserkrankungen steigt, besonders bei Kindern. Viele Neugeborene kommen mit Missbildungen zur Welt.

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