Musik

Ein Raum an der Ruhr für Klänge und noch vieles mehr

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Der ehemalige Hofladen ist für Tobias Bülow jetzt ein „Multifunktionsraum“ zum Komponieren, Aufnehmen, Instrumente bauen und für vieles mehr.

Der ehemalige Hofladen ist für Tobias Bülow jetzt ein „Multifunktionsraum“ zum Komponieren, Aufnehmen, Instrumente bauen und für vieles mehr.

Foto: Michael May / IKZ

Hennen.  Der Musiker und Bildhauer Tobias Bülow hat sich in Deckerts früherem Hofladen in Hennen ein Studio und Atelier eingerichtet.

Bisweilen sorgt der Zufall für die besonderen Begegnungen, aus denen dann sogar neue Lebensabschnitte werden und noch vieles mehr erwachsen kann. So wie bei dem Bildhauer und Musiker Tobias Bülow, den tatsächlich die Ruhr zu seinem neuen Atelier im ehemaligen Hofladen vom Hof Deckert geführt hat.

„Das passt doch gut für mich als Kind des Ruhrgebiets“, freut sich der 55-Jährige. Geboren in Dortmund, aufgewachsen in Bochum, viele Jahre in Witten und seit Frühjahr 2020 in Ergste lebend sei es nun noch einmal ein Stückchen weiter die Ruhr raufgegangen. Und um den Fluss und sein leider an manchen Stellen ziemlich schmutziges Ufer soll es auch am Samstag, 24. April, bei einer Müllsammel-Aktion gehen, doch dazu später mehr.

Fische beobachtet in der Baarbach-Mündung

Der Liebe wegen war Tobias Bülow im Frühjahr vergangenen Jahres in die Nachbarstadt gezogen. „Direkt mit dem ersten Lockdown, weil meine Freundin und ich die Sorge hatten, dass wir uns sonst wegen Ausgangsbeschränkungen nicht sehen können.“ Im Sommer war er dann beim Stand-Up-Paddling vom Wellenbad aus die Ruhr hochgefahren und hatte an der Baarbach-Mündung Halt gemacht. Denn schon als Kind war die Beo­bachtung der Natur und damals vor allem der Vögel genau sein Ding. Mit Taucherbrille und Unterwasservideokamera legte sich Tobias Bülow also in den dort recht wilden Baarbach. „Da waren Unmengen an Fischen, alle mögliche Arten, vor allem als Baby-Fische.“

Neues Domizil für Künstler Tobias Bülow
Neues Domizil für Künstler Tobias Bülow

Als er eine Woche später seiner Freundin das Biotop zeigen wollte, führte ihn Google Maps auf den früheren Biohof, der anders als zu Hofladen-Zeiten nicht mehr dauerhaft öffentlich zugänglich ist. Worauf Friedrich Deckert dann auch immer wieder Spaziergänger, die die benachbarte Verbindung zum Ruhrtalradweg nicht kennen oder kennen wollen, aufmerksam machen muss. „Ich habe ihn dann einfach mal gefragt, ob er nicht vielleicht ein Atelier für mich als Künstler und Bildhauer hat?“, berichtet Bülow. Deckert habe ihn kurz gemustert und direkt gesagt: „Ja klar! Auf so einen wie ich habe ich gewartet!“ Inzwischen sind sie Freunde geworden, haben schon einige Ideen für spannende Projekte und gemeinsam den ehemaligen Hofladen, der sieben Jahre lang „intensiv von den Mäusen bewirtschaftet“ worden sei, entsprechend und ziemlich gemütlich hergerichtet.

„Weltmusik“-Kompositionen auch als reine Netz-Konzerte

Auch jetzt, nach einem halben Jahr, ist immer noch nicht alles fertig. Immer wieder fällt Tobias Bülow etwas auf, was er in seinem „Raum für Klang und Entwicklung“, wie er ihn genannt hat, noch verbessern kann. „Neben die weißen Vorhänge soll noch ein schwarzer, den ich als Hintergrund für Videos nutzen möchte.“ Lange habe er sich gegen rein virtuelle Konzerte gesträubt. Denn bei seinen vielen Auftritten solo und mit vielen Ensembles in den Jahren vor Corona habe er, der sich im Bereich der „Weltmusik“ ansiedelt, auf der Bühne immer die direkten Reaktionen des Publikums als eine besondere Form der Kommunikation empfunden. Und dieses „unvermittelte, direkte Feedback“ lasse sich eben auch durch „Likes“ und Kommentare im Netz nicht ersetzen. Doch es nütze ja alles nichts, und deswegen hat auch Tobias Bülow mit dem Aufnehmen von Konzerten nur fürs Netz begonnen.

Sein derzeit dabei bevorzugtes Musikinstrument ist die so genannte Handpan oder Hang, die der Schweizer Felix Rohner vor 20 Jahren erfunden hat. Dabei handelt es sich quasi um eine umgekehrte Steeldrum, die mit den Händen und Fingern gespielt wird und deren weicher, wundervoller Klang immer mehr begeisterte Zuhörer finde. Bülow, der als Kind nach der Blockflöte Cello und Schlagzeug gelernt hat, hat sich das Spielen in den vergangenen Jahren selbst beigebracht und beherrscht es inzwischen so perfekt, dass er es auch anderen vermitteln kann. Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten spielt er die Bansuri-Flöte, die aus ausschließlich in Westindien wachsendem Bambus hergestellt wird. „Das ist für mich die Königin der Flöten, die hat einfach einen fantastischen Klang“, berichtet Bülow, der das Spiel dieses besonderen Instruments bei indischen Meistern gelernt hat.

„Freude an der Sache ist wie das Benzin im Tank“

Sehr viele andere Instrumente, wie beispielsweise Tabla, Xylophon, Gitarre, Kalimba, Psalter, Tanpura oder Monochord, die er inzwischen auch professionell spielt, hat Bülow hingegen autodidaktisch gelernt. „Weil ich den Sound super fand. Und Spaß daran hatte.“ Das sei überhaupt bei all seinen verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen – neben der Musik mitsamt dem Komponieren baut der Di­plom-Designer mit dem Schwerpunkt Bildhauerei und Malerei viele Instrumente teils aus Alltagsgegenständen selbst, er zeichnet und fotografiert – das Wesentliche: „Auf dem langen Weg, wenn man etwas Neues anfängt, braucht man, um weit zu kommen, Freude an der Sache. Das ist wie das Benzin im Tank.“ Seitdem er das begriffen habe, mache er auch nur noch das, was ihm eben Freude mache. Und dazu gehöre, sobald es Corona wieder zulässt, an seinem neuen Wirkungsort die Arbeit mit Menschen: die Trommelkurse, das Coaching mit Musik, die besonderen Bildhauer-Kurse (mögliches Motto „Zur Ruhr kommen, um zur Ruhe zu kommen“) unter den alten Obstbäumen am Baarbach und noch einiges mehr, wofür die idyllische Umgebung der ideale Rahmen sei.

Kleines Frühjahrs-“Ruhr-CleanUp“ am 24. April ab 15 Uhr

Beim Spaziergang mit Friedrich Deckert hat Bülow allerdings einiges an Unrat entdeckt, das vor dem offiziellen „Ruhr-CleanUp“ im Herbst nicht unter der Vegetation verschwinden sollte. Und deswegen hoffen sie auf viele Mitstreiter am kommenden Samstag, 24. April, ab 15 Uhr am „Treffe anne Ruhr“.

Weitere Infos, auch über anstehende Konzerte und Kurse, gibt es unter www.tobis-music.de.

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