Gericht

Iserlohn: Verfahren gegen betrügerischen Pflegedienst

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Der Geschäftsführer des Pflegedienstes wurde bereits verurteilt. Nun beginnt das nächste Verfahren gegen einen weiteren Verantwortlichen.

Der Geschäftsführer des Pflegedienstes wurde bereits verurteilt. Nun beginnt das nächste Verfahren gegen einen weiteren Verantwortlichen.

Foto: David Ebener / dpa

Iserlohn/Hagen.  Nach der Verurteilung des Geschäftsführers im März steht nun ein weiterer Verantwortlicher vor Gericht.

Die Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hagen verurteilte am 15. März dieses Jahres einen 55-jährigen Angeklagten wegen des Tatvorwurfs des „Vorenthaltens und Veruntreuens von Beiträgen zur Sozialversicherung” zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Der Tatzeitraum liegt schon recht lange zurück: Die Anklage nannte den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2016.

Als faktischer Geschäftsführer eines Geflechts von Pflegediensten mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten hatte er eine kostensparende, aber illegale Beschäftigungspraxis polnischer Pflegekräfte zu verantworten: Diese wurden über eine Tochterfirma in Breslau angeworben und für eine Grundvergütung von 460 Euro bei Pflegebedürftigen in Deutschland eingesetzt. Für diesen Teil ihrer Beschäftigung waren sie regulär zur Sozialversicherung angemeldet und dadurch krankenversichert. Eine weitere Firma mit Sitz in Gi­braltar beschäftigte dieselben Arbeitnehmerinnen als angeblich Selbstständige, die bei den Pflegebedürftigen haushaltsnahe Dienstleistungen erbrachten. Dafür zahlte ihr zweiter „Arbeitgeber” keine Sozialleistungen. Für einen Sieben-Tage-Job und eine 24-stündige Rufbereitschaft nahmen sie letztlich 1300 Euro monatlich mit nach Hause.

Ein Strafverfahren wurde eingestellt

Die Anklage nannte als Tatort „Iserlohn und andere Orte”. Von hier kam auch der offizielle Geschäftsführer des Unternehmens, der zur Überzeugung der Wirtschaftsstrafkammer allerdings keinen umfassenden Einblick in die betrügerischen Geschäftspraktiken des Pflegedienstes hatte. Er fungierte vor allem als Buchhalter mit beschränktem Arbeitsbereich. Sein Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, nachdem sein Mitangeklagter die Verantwortung für die betrügerischen Praktiken übernommen hatte. Er hatte den Überblick über die komplizierten Strukturen der miteinander eng verbundenen Pflegedienste.

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Doch er war dabei offenbar nicht allein: Schon im ersten Prozess fiel immer wieder der Name eines weiteren Mannes, der die Geschäfte ebenfalls geleitet haben soll. Sein Lebensmittelpunkt liegt in Norddeutschland. Während seiner Tätigkeit für den mittlerweile aufgelösten Pflegedienst hatte der 54-Jährige in Menden ein Zimmer im Haus des 55-jährigen Geschäftsführers.

Keine Äußerung zur Sache beim Auftakt des Verfahrens

Prozessökonomisch war es merkwürdig, dass die Staatsanwaltschaft Anfang 2023 zunächst nur gegen den 55-jährigen Geschäftsführer und den formalen Geschäftsführer Anklage erhob. Nun begann am Landgericht das Verfahren gegen den 54-Jährigen, der als weiterer faktischer Geschäftsführer des Pflegeunternehmens ebenso für den festgestellten Sozialversicherungsbetrug mit einem Schaden von mehr als 1,6 Millionen Euro verantwortlich sein soll. Zum Auftakt des Verfahrens äußerte er sich noch nicht zur Sache. Sein Verteidiger kündigte eine solche Erklärung für einen späteren Zeitpunkt an. Zunächst wolle man hören, was die Zeugen zu sagen haben. Auf dem Weg über eine Erklärung seines Verteidigers machte der Angeklagte lediglich Angaben zu seiner Person und einem hindernisreichen Lebenslauf, in dessen Verlauf er es nicht immer leicht gehabt hatte.

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Im laufenden Strafverfahren muss die Rolle des 54-Jährigen geklärt werden. Was wusste der Angeklagte von der betrügerischen Konstruktion, die darauf ausgerichtet war, Sozialversicherungsbeiträge zu sparen? Gab es Besprechungen, an denen er beteiligt war? Wie eng war die Zusammenarbeit mit dem Verurteilten? Die Wirtschaftsstrafkammer hat fünf weitere Verhandlungstage eingeplant, um die Rolle des Angeklagten aufzuklären.

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