Stadtgeschichte

Iserlohner Gastwirt Otto Hegel profiterierte vom Krieg

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Dr. Walter Wehner zeigte auf, wie die Heldenerzählungen über den deutschen Kreuzer Emden bis heute nachwirken.

Dr. Walter Wehner zeigte auf, wie die Heldenerzählungen über den deutschen Kreuzer Emden bis heute nachwirken.

Foto: Dennis Echtermann

Iserlohn.  Otto Hegel aus Iserlohn war nicht nur Matrose auf der SMS Emden, sondern auch ein Gastwirt. Aus dem Kriegsgeschehen machte er Profit.

„Kriegsgewinnler“ – so werden Menschen genannt, die aus den Umständen eines Krieges Profit schlagen. Dass dieser Gewinn auch noch Jahre später anhalten und als Basis der persönlichen Biografie dienen kann, zeigt das Beispiel des Iserlohner Gastwirtes Otto Hegel (1894-1961), den Dr. Walter Wehner im Rahmen der stadtgeschichtlichen Vortragsreihe von Stadtarchiv, FernUniversität Hagen und VHSIserlohn porträtierte.

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So erzählte Otto Hegel zeitlebens von seinen Erlebnissen als Obermatrose auf der SMS Emden, einem leichten Kreuzer der deutschen Kaiserlichen Marine, der im 1. Weltkrieg im Indischen Ozean kämpfte – es wurde die Geschichte seines Lebens. Dr. Wehner zeigte zudem auf, wie groß die Begeisterung der Deutschen für den „Mythos Emden“ bis heute ist – davon zeugt eine Flut von Sachbüchern, Gedichten, Romanen und Filmen. Dabei wurden die Kriegserlebnisse der Crew geschönt, ihre Taten überhöht, um die jeweils gerade herrschende Politik zu unterstützen und – wie in der Nazi-Zeit – die Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung zu entfachen.

SMS Emden im Gefecht vor den Kokosinseln

„Die Fahrten der Emden waren zu Heldenfahrten mutiert und lieferten Stoff für eine umfangreiche mediale Verwertung“, erklärte der Literaturwissenschaftler und Lokalgeschichtsforscher. Fest steht: Nachdem die SMS Emden im Gefecht mit dem australischen Kreuzer HMAS Sydney am 9. November 1914 vor den Kokosinseln unterlag und ein Teil der Schiffsbesatzung unter Führung des Ersten Offiziers Hellmuth von Mücke ihren Weg zurück nach Deutschland fand, führte an der Geburt einer nationaldeutschen Erquickungserzählung kein Weg vorbei.

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Otto Hegel war zwar eine schillernde Persönlichkeit, überliefert war von ihm jedoch bislang wenig. „Auch mir war er bis vor zwei Jahren völlig unbekannt“, so Dr. Wehner. „Nach und nach habe ich den Nachlass im Stadtarchiv eingesehen und fand sein Leben doch sehr spannend.“

Flucht durch arabische Wüste

Hegel wurde am 5. Januar 1894 in Iserlohn als Sohn des Gastwirtes Fritz Hegel geboren, er hatte vier Geschwister. 1946 heiratete Hegel, die Ehe blieb kinderlos. Er verstarb am 28. November 1961 in seiner Iserlohner Wohnung in der Mendener Straße. Hegel trat bereits als Jugendlicher der Marine bei, mit 14 Jahren begann er eine Ausbildung auf einem Schulschiff. Ab 1911 war er Matrose auf dem leichten Kreuzer SMS Emden. „Über die Kaperfahrten der Emden in der Südsee, den Untergang und die abenteuerliche Flucht durch die arabische Wüste bis ins damalige Konstantinopel verfasste Hegel im Mai 1918 einen handschriftlichen Bericht, der im Stadtarchiv einzusehen ist“, erklärte Dr. Wehner. Später hielt Hegel, einer von nur 15 Überlebenden, Vorträge über seine Kriegsabenteuer und war ein angesehener Mann in Iserlohn.

Der Iserlohner nahm zusätzlich den Namen „Emden“ an

Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1919 die Gastwirtschaft an der damaligen Hagener Straße, heute Hans-Böckler-Straße, gegenüber der Schauburg. Otto Hegel war in diversen Vereinen aktiv, ab 1. Mai 1933 auch NSDAP-Mitglied, Propagandawart, sowie 1935 bis 1944 Ortsgruppenfilmwart. In seinem Lokal „Zur Emden“ trafen sich viele „lokale NS-Größen“, so Dr. Wehner.

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Hegel habe beschlossen, auf der Welle der „Emden-Euphorie“ zu segeln: Er nutzte seine Geschichte als Markenzeichen für seine Gaststätte, und nahm 1932 den Zweitnamen „Emden“ an. Er hielt zahlreiche Vorträge bei Iserlohner Vereinen und besuchte Veteranen-Treffen in ganz Deutschland, um weiter am Mythos zu arbeiten.

Gaststätte wird zum Treffpunkt von Soldaten im Märkischen Kreis

Nach dem Krieg lief das Geschäft gut weiter – aus dem 1945 von den amerikanischen Besatzern geforderten Betriebsverbot wurde es nichts. Hegel konnte sich bei den Engländern und den Kanadiern erfolgreich als „Gentlemen of war“ präsentieren. „Die Gaststätte wurde zum Treffpunkt der im Märkischen Kreis stationierten kanadischen Armee“, so Dr. Wehner.

Nahtlos plauderte Hegel weiter über seine Erfahrungen. Wehner: „Ihm gelang es, sich an die jeweiligen Zeitströmungen anzupassen und daraus Profit zu schlagen“.

Mit dem Tod von Otto Hegel-Emden und dem Abriss der Gaststätte sei der Mythos „SMS Emden“ in Iserlohn beendet gewesen. Eine kritische Aufarbeitung habe es jedoch nicht gegeben. 1986 sei das Grab des Matrosen auf dem Iserlohner Hauptfriedhof eingeebnet worden, so Dr. Wehner.

Forschungen über den Matrosen sind noch ganz am Anfang

Er betonte, dass seine Forschung über den Wirt noch nicht abgeschlossen sei, es gebe noch eine andere Zugangsweise, die er noch nicht berücksichtigt habe. „Es gibt noch viel zu fragen …“, beendete Dr. Wehner seinen Vortrag.

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