Regionalverband Iserlohn gegründet

Koma-Patientin: "Mit Resignation ist niemandem geholfen"

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Foto: IKZ

Iserlohn/Kreis. Menschen, die es geschafft haben, ihr Leben zu gestalten, wenn auch mit einem Handicap, saßen mit am Tisch ebenso wie Angehörige von Wachkomapatienten, Mitarbeiterinnen aus Krankenhäusern und von Pflegediensten, Logopädinnen und Physiotherapeuten und ein Krankenhauspfarrer.

Am Mittwoch wurde in Iserlohn die Regionalgruppe des Verbandes Schädel- und Hirnpatienten in Not e.V. gegründet. Gekommen waren rund 40 Interessierte, darunter auch Patienten, die selbst im Koma gelegen haben und von ihren Erfahrungen berichten. Viele Schicksale kamen zur Sprache.

Eine von ihnen ist die 33-Jährige Isabelle Dobernecker aus Altena. Sie ist im Alter von vier Jahren vor der Haustür von einem Auto angefahren worden und lag danach insgesamt sechs Wochen im Koma, drei im Wachkoma. Ihr Mutter kämpft seit 29 Jahren (!) mit der Versicherung um die Übernahme der Kosten für verschiedene Therapien. Wie sie berichtete, sei jetzt nach langem Ringen eine außergerichtliche Einigung in Sicht.

Die Betroffenen stellen sich dem Schicksal und wollen von den Erfahrungen untereinander profitieren, hören die Krankheitskarriere der anderen Anwesenden. „Man braucht die Unterstützung im Familienverband, um die Pflege zu organisieren, ob als Ehefrau oder als Pflegekraft, der persönliche Familienverband muss sich in eine neue Rolle einfinden”, erklärte Hans-Joachim Makiol vom Bundesverband.

„Dazu braucht es Geduld, alle Anträge zu stellen, als Bittsteller im Kampf für denjenigen, für den man liebevoll sorgen möchte. In Ihrem Kampf sind Sie nicht allein. Dazu gibt es die Vernetzung des Verbandes.” Es gibt ein Notruf- und Infotelefon, wo mit Manuela Köhler eine Fachkraft sitzt, die zu medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Fragen Hilfestellungen gibt.

„Unsere Tochter ist der Mittelpunkt unseres Lebens. Sie ist seit 24 Jahren Wachkoma-Patientin nach einem medizinischen Behandlungsfehler”, berichtet Manfred Ernst vom Bundesvorstand der Wachkoma-Gesellschaft. Erst nach zehn Jahren sei es mithilfe der Berichterstattung im Fernsehen gelungen, wenigstens Entschädigungen und eine finanzielle Absicherung zu bekommen: „Seit 14 Jahren zahlt das Krankenhaus, unserem Kind hilft es nicht.”

Der Vertreter des Bundesverbandes hatte aus eigener Erfahrung etliche Ratschläge parat. Er warb um einfühlsame, behutsame und liebevolle Pflege, um Geduld und Ausdauer, um vielfältige Lebenshilfe für die Patienten. Und er dankte dem Iserlohner Geschäftsmann und Ehemann einer Wachkoma-Patientin, Torsten Wiedemeyer, für die Spende zur Gründung der Regionalgruppe.

Hans-Joachim Makiol, Rechtsanwalt für Medizinrecht aus dem Bundesvorstand, machte Mut zu kämpfen. Leider gebe es viele falsche Bescheide.

Vom langen Kampf berichtete dann auch Christel Dobernecker aus Altena. Die Alleinerziehende erzählte, wie ihre Tochter 1980 den schlimmen Autounfall hatte. Sie sei dann die ersten fünf Monate mit ins Krankenhaus gegangen, habe sich selbst verschiedene Praktiken angeeignet und kennt sich mittlerweile gut aus bei der Beantragung diverser Anträge. Christel Dobernecker meisterte den Spagat zwischen Beruf und Familie, kämpfte um die finanzielle Absicherung der Tochter. Sie kümmerte sich um viele Therapien, Klinik-, Reha- und Mutterkind-Kuraufenthalte und Berufsförderungsmaßnahmen, und , und, und.

„Ich habe oft keine Kraft mehr, man fühlt sich alleingelassen”, gibt sie unumwunden zu. Ihre Tochter Isabell, ehemalige Wachkoma-Patientin, berichtet aus eigener Erfahrung: „Ich bin einigermaßen wieder rehabilitiert. Die Genesung ist eine Sache, aber die Integration eine andere. Es ist aber ein gesellschaftliches Problem. Ich habe Schwierigkeiten, mich gesellschaftlich zu integrieren.” Das betraf schon den Kindergarten, die Schule und auch ihr Ausbildung an der Fachoberschule für Sozialpädagogik. Sie war ehrgeizig und schaffte ihren Ausbildungsabschluss mit 1,7. „Ich habe einiges erreicht durch meinen Willen.” Und auch jetzt ginge der Kampf weiter, nachdem ihr befristeter Arbeitsvertrag als Erzieherin nicht verlängert wurde. „Ich bin meinen Weg hierher gegangen. Resignation ist der falsche Weg. Damit ist keinem geholfen.”

Ähnlich sieht es Susanne Altemeier aus Essen. Sie lag dreieinhalb Jahre im Wachkoma, war bei der Behandlung in einer Zahnarztpraxis plötzlich ins Koma gefallen und war sogar schon im Hospiz . . .

Jörg Wilhelm aus Iserlohn war nach einem Berufsunfall fünf Wochen im künstlichen Koma. Er ist heute berufsunfähig. „Es ist Glück im Unglück, dass es ein Arbeitsunfall war”, sagt er, dass die Berufsgenossenschaft für alles aufkomme.

Die neue Regionalgruppe trifft sich an jedem vierten Mittwoch im Monat um 17 Uhr im Haus der Begegnung unter Leitung von Manuela Pläsken ( 02371/28773).

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