Washington/Berlin. Michael D. Hausfeld ist ein Titan jener „Klage-Industrie“, die in den USA Schadenersatzsummen von 250 Milliarden Dollar im Jahr erzielt, indem sie Tausende Betroffene auf Sammelklagen gegen große Konzerne einschwört. Der Sohn polnischer Einwanderer, die 1939 vor den Nazis nach New York geflohen waren, hat sein juristisches Können gegen den Ölkonzern Exxon, gegen die Tabakindustrie, gegen die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft bewiesen. Letzterer rang er einen mit fünf Milliarden Euro ausgestatteten Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter ab.
Michael D. Hausfeld ist ein Titan jener „Klage-Industrie“, die in den USA Schadenersatzsummen von 250 Milliarden Dollar im Jahr erzielt, indem sie Tausende Betroffene auf Sammelklagen gegen große Konzerne einschwört. Der Sohn polnischer Einwanderer, die 1939 vor den Nazis nach New York geflohen waren, hat sein juristisches Können gegen den Ölkonzern Exxon, gegen die Tabakindustrie, gegen die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft bewiesen. Letzterer rang er einen mit fünf Milliarden Euro ausgestatteten Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter ab.
Der hagere Mann, der am liebsten Fliege trägt, hat sein Washingtoner Büro in unmittelbarer Nähe des Weißen Hauses. Über eine Onlineplattform hat Hausfeld deutsche VW-Kunden akquiriert, die sich durch die Manipulation von VW an Dieselmotoren betrogen fühlen. Die aber – anders als in den USA – nach deutschem Recht keine Chance haben, wie die rund 500 000 VW-Eigentümer in den Vereinigten Staaten mit Entschädigungszahlungen zwischen 5000 und 10 000 Euro bedient zu werden. Warum? Weil in Europa weniger rigide Umweltgesetze herrschen als in den USA. Weil Europa das Institut der Sammelklage (class action) nicht kennt. Weil VW die betroffenen Autos kostenlos technisch nachrüstet. Weil weder Behörden wie das Kraftfahrt-Bundesamt noch die Politik in Berlin wie Brüssel wirklich Anstalten machen, in der Causa VW die Tore für ein Schadenersatzverfahren zu öffnen.
Hausfeld weiß all das. Trotzdem hatte er bereits im vergangenen Frühjahr VW-Chef Müller persönlich Vergleichsverhandlungen für alle rund zehn Millionen weltweit betroffenen VW-Besitzer vorgeschlagen. Dass der Wolfsburger Autobauer seine Idee ignorierte, hat den 72-Jährigen nur zusätzlich motiviert.
In Kooperation mit dem Rechtsdienstleister Myright, der die Kosten für die Klageverfahren übernimmt, will Hausfeld in einem ersten Präzedenzfall vor dem Landgericht in Braunschweig das Wasser testen. Sprich: Er will anhand eines Eos-Modells den Nachweis führen, dass sämtliche manipulierten VW-Dieselfahrzeuge in Deutschland nicht der spezifischen EU-Typengenehmigung entsprechen, deshalb keine wirksame Straßenzulassung besitzen und somit von VW zurückgenommen werden müssen; begleitet von einer individuellen Einmalzahlung an den Besitzer.
Die Aussichten für Kläger seien gut, sagt Jan-Eike Andresen, Chef der Rechtsabteilung von MyRight. „Das Recht sieht unser Anliegen vor. Man muss es nur anwenden.“
Brisantes Dokument aus dem Kraftfahrt-Bundesamt
„Die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei VW wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt offiziell festgestellt – dies ist ein Verwaltungsakt, an den alle anderen Behörden gebunden sind“, sagt auch Remo Klinger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Berlin. Und tatsächlich stellte die Behörde in ihrer Rückrufanordnung, die dieser Zeitung vorliegt, bei VW „unzulässige Abschalteinrichtungen“ fest.
Eine aus Sicht von Juristen brisante Formulierung, denn der Konzern bestreitet, in Europa gegen Recht verstoßen zu haben. „Es gab nie eine Genehmigung für diese Abschalteinrichtung, deshalb haben alle diese Fahrzeuge keine gültige Genehmigung mehr“, sagt dagegen Jurist Klinger, der auch für die Deutsche Umwelthilfe Verfahren führt und für Hausfeld in dem aktuellen Fall ein Gutachten erstellte. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe sich im Abgas-Skandal aus industriepolitischen Gründen nicht rechtskonform verhalten, indem es die Autos weiter auf der Straße ließ und nur eine Nachrüstung anordnete. „Die Fahrzeuge hätten eine Neugenehmigung erhalten müssen – eine bloße Nachrüstung reicht nicht“, sagt Klinger und prophezeit: „Das ist ein heißes Pflaster, auf das VW sich nun mit den Gerichtsverfahren begibt.“
Der Konzern teilt auf Anfrage mit: „Die Klagen wurden uns bisher noch nicht zugestellt, sodass wir uns zu deren Inhalt aktuell nicht äußern können.“ Doch Branchenbeobachtern ist klar: VW wird sich bis in die letzte Instanz wehren. In den USA geht es um 500 000 Autos, in Europa um Sein oder Nichtsein. Bis zu einer finalen Entscheidung können Jahre vergehen. Für Anwalt Hausfeld wäre das kein Problem. Er hat Geduld. Und am Ende siegt er meistens.
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