Jahresrückblick

Jahresrückblick 2022: Die umstrittene Fußball-WM in Katar

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Auf Schultern getragen, den Pokal fest im Griff: Argentiniens Lionel Messi genießt den Moment des Triumphs nach dem WM-Finale in Katar.

Auf Schultern getragen, den Pokal fest im Griff: Argentiniens Lionel Messi genießt den Moment des Triumphs nach dem WM-Finale in Katar.

Foto: Tom Weller / dpa

Doha/Essen.  Umstrittenes Fußballspektakel in Katar: Für Deutschland war zum zweiten Mal bei einer WM in Folge nach der Vorrunde Schluss. Ein Rückblick.

In der Hand hielt Lionel Messi den goldenen Pokal, während sein langjähriger Wegbegleiter Sergio Aguero ihn auf den Schultern trug. Messis Blick ging auf die Tribünen im Stadion Lusail, die vom Rasen aus in Richtung Himmel hochragten und auf denen ein himmelblau-weißes Meer aus Fans ihrem Idol huldigten. Man musste in diesem Moment an Diego Maradona denken, die andere argentinische Fußball-Ikone, die im November 2020 im Alter von 60 Jahren verstorben war.

„Es ist kein Geheimnis, dass ich meine Karriere mit diesem Pokal beenden wollte. Ich hätte nicht um mehr bitten können. Ich danke Gott“, sagte der 35-jährige Lionel Messi nach dem Triumph. Bei seiner letzten Weltmeisterschaft trat der Künstler aus Rosario endgültig auf die Stufe der größten Fußballer der Geschichte, auf der sich schon die brasilianische Sturmlegende Pelé (82) und eben jener Diego Maradona befinden. Sofort abgeben wollte Messi das Argentien-Trikot aber noch nicht: „Ich möchte noch ein paar Spiele als Weltmeister erleben.“

WM-Sieger Argentinien: Historisches Finale gegen Frankreich

Argentinien gewann die umstrittene WM 2022 in Katar nach einem historischen Finale gegen Frankreich, voller Wendungen, voller Dramen. Es stand 2:0, 2:2, 3:2, 3:3 und es endete mit der Tragik des Elfmeterschießens, das Messis Mannschaft 4:2 gewann. Nach 1978 und 1986 ist das Land aus Südamerika zum dritten Mal Weltmeister. Das letzte, atemberaubende Spiel des Turniers zeigte, warum diese Sportart so eine Anziehungskraft ausüben kann.

In Vergessenheit sollte dadurch nicht geraten, dass die WM in dem Emirat auch viele widerwärtige Seiten des Fußballs gezeigt hatte. Die Vergabe 2010 wäre ohne Korruption nicht zustande gekommen, in den folgenden Jahren mussten in dem kleinen Land am arabischen Golf, das durch das wichtigste Fußball-Turnier der Welt seine globale Bedeutung stärken wollte, eine Infrastruktur und die Stadien aus dem Boden gestampft werden.

Es ist längst belegt, dass dabei viele Gastarbeiter ums Leben kamen. Die genaue Zahl kennt niemand. Ein „Erbe der Ausbeutung und Schande“ befürchtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

In den Wochen in Katar trafen zahlreiche politische Konflikte aufeinander. Frauen und Männer aus dem Iran trugen die Symbole ihrer Freiheitsbewegung im eigenen Land, die vom Mullah-Regime brutal unterdrückt wird. Überall wehten Palästinenser-Flaggen, Regenbogen-Symbole als Zeichen für sexuelle Vielfalt wurden einigen Fans vor dem Stadion abgeknüpft.

Der Italiener Mario Ferri rannte während des Vorrunden-Spiels zwischen Portugal und Uruguay mit einer Regenbogen-Fahne und einem bedruckten T-Shirt auf den Platz. Vorne stand „Save Ukraine“ wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, hinten „Respect for Iranian Woman“; er wurde abgeführt und später freigelassen.

In Doha vermischten sich die Kulturen

Doch die Weltmeisterschaft brachte auch die arabische mit der westlichen Welt zusammen, im Zentrum von Doha vermischten sich die Kulturen. Es gab Sensationen wie den Halbfinaleinzug von Marokko und den Sieg von Saudi-Arabien über den späteren Weltmeister Argentinien (2:1). Und, ach ja, die deutsche Mannschaft spielte auch noch mit.

Diese geriet in den Strudel der politischen Auseinandersetzungen. Eigentlich wollte Kapitän Manuel Neuer mit der „One Love“-Binde auflaufen als Zeichen für Toleranz und Vielfalt, weitere europäische Nationen wollten sich an dieser Aktion beteiligen. Der Weltfußballverband Fifa untersagte dies jedoch und drohte mit sportlichen Sanktionen. Eine Debatte entbrannte um das Stück Stoff, die Verbände knickten ein. Aus Protest hielten sich die deutschen Spieler vor dem ersten Gruppenspiel beim Teamfoto die Hände vor den Mund.

Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada

Das Spiel gegen Japan verlor Deutschland 1:2, gegen Spanien arbeitete sich die Elf von Bundestrainer Hansi Flick zu einem 1:1, Costa Rica wurde 4:2 geschlagen. Trotzdem war zum zweiten Mal in Folge nach der Vorrunde Schluss, seitdem hinterfragt der Deutsche Fußball-Bund alles. Oliver Bierhoff hörte als Direktor der Nationalmannschaft auf, Hansi Flick darf bis zur EM 2024 im eigenen Land weiterarbeiten.

Fifa-Präsident Gianni Infantino verkündete kurz vor dem Ende der WM einen Rekordumsatz von fast sieben Milliarden Euro. Die nächste Weltmeisterschaftfindet 2026 in den USA, Mexiko und Kanada statt, dann nehmen erstmals 48 Nationen teil. Aber Lionel Messi wird fehlen.

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